Rumänien-Reise 2019

Reise des Fördervereins der Gemeinde Dahlem nach Siebenbürgen

Unter der bewährten Leitung von Susanne Goldschmidt-Ahlgrimm brach eine Gruppe von 23 Reisenden am 18. August 2019 nach Siebenbürgen auf, jener Region, die nach einer wechselvollen Geschichte seit hundert Jahren zu Rumänien gehört und die seit Jahrhunderten von unterschiedlichen Volksgruppen bewohnt wird. Im 12.Jahrhundert wanderten Deutsche aus verschiedenen westeuropäischen Gebieten hier ein, gründeten Städte und Dörfer und erhielten vom ungarischen König zahlreiche Privilegien. Sie sind bekannt unter dem Namen Siebenbürger Sachsen.Schon sehr früh Mitte des sechzehnten Jahrhunderts bekannten sie sich  zur Reformation.  Später kamen aus Österreich die sogenannten Landler hinzu. Über Jahrhunderte prägten sie mit ihren Kirchenburgen den Charakter der Städte und Dörfer.

Auf dem gemütlichen Flughafen von Sibiu/Hermannstadt empfing uns Uwe Seidner, hauptberuflich Pfarrer der Evangelischen Landeskirche Augsburger Konfession in Wolkendorf, der uns während der nächsten neun Tage führte und uns nicht nur zu Beginn unserer Ausflüge im Bus die Losungen und einige kommentierende Worte auf den Weg gab, sondern uns auch kenntnisreich und mit frischem Humor viele Informationen über die Geschichte und die gegenwärtige Lage insbesondere der Siebenbürger Sachsen vermittelte. In zwei großen Auswanderungswellen verließen nach dem Ende des zweiten Weltkrieges viele von ihnen das Land, zunächst die von der Bundesrepulik Deutschland Freigekauften, nach 1989 dann nochmals rd. 90%, die die neue Freiheit nutzten. Die evangelischen Gemeinden sind deshalb sehr klein geworden, aber der Zusammenhalt und das Engagement der dort gebliebenen "Seelen" ist sehr groß. Das konnten wir eindrucksvoll erleben beim großen Fest in der Bartholomäuskirche, der ältesten Kirche in Kronstadt/Brasov, einem großen gotischen Bau, prächtig und kunstvoll geschmückt mit Goldraute und Astern. Einige hundert Teilnehmende waren zu dem Gottesdienst gekommen, zum Teil sogar aus Deutschland angereist, denn die ausgewanderten Siebenbürger Sachsen haben oft noch eine starke Bindung an ihre Heimat . (Eine Siebenbürgische Zeitung erscheint in München). In  einem riesigen Festzelt wurde anschließend bei Blasmusik gegessen und getrunken, Schulkinder führten Volkstänze vor. 

Die Siedler waren stets Gefahren durch angreifende Völkerschaften ausgesetzt. So  entstanden die berühmten Siebenbürger Kirchenburgen, beindruckende Wehranlagen mit oft mehreren Mauerringen und Türmen, an der Innenseite der Mauer um die Kirche hatte jede Familie Räume zur Vorratshaltung oder auch zum Schutz der Bewohner der Dörfer, wenn sie sich vor Angreifern in Sicherheit bringen mussten. Wir besichtigten mehrere dieser Burgen - besonders befestigt Tartlau/Prejmer und Honigberg/Harman im Osten von Kronstadt, hoch auf dem Berg gelegen Michelsberg/Cisnadioara und Rosenau/Rasnov, mitten in der Stadt in Mediasch und Baaßen.

In Schäßburg/ Sighisoara ist die gesamte Altstadt von mächtigen Wehrmauern und Türmen umgeben, hoch oben über 177 Stufen zu erreichen ist die Bergkirche, in der zahlreiche Altäre aus Kirchen der Umgebung zu sehen sind.  Die Kirchen sind meistens groß, zunächst romanisch, später gotisch umgebaut, und in einigen waren noch Wandmalerein erhalten, besonders gut in Malmkrog/Malancrav (aus dem 14. Jahrhundert!) und in einer Kapelle in Honigberg.

 In vielen Kirchen sieht man orientalische Teppiche ausgestellt, Geschenke von Kaufleuten aus der Blütezeit der damals auf wichtigen Handelsrouten liegenden Städte. Die größte Sammlung besitzt die Schwarze Kirche in Kronstadt, ebenso die größte Orgel Siebenbürgens. Eine sehr viel bescheidenere Kirche sahen wir in der Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch/Viscri, einem Dorf, in dem die ursprüngliche Dorfstruktur noch erhalten ist, die Straßen sind nicht gepflastert, das Dorf gehört zum Weltkulturerbe, wie auch vieles andere, das wir besichtigten.

In Viscri lernten wir  ein Projekt zur Förderung der Wirtschaft kennen. Unter der Leitung der gebürtigen Rheinländerin Annette Schorb stellen die Frauen des Dorfes u.a. Socken und Filzschuhe her, die sie an Touristen verkaufen. Bei Micu besichtigten wir ein Weingut, das von einem Südtiroler geschaffen wurde, anknüpfend an frühere Traditionen in der Region. Die Anlage ist hochmodern und bei der anschließenden Weinprobe konnten wir uns davon überzeugen, dass der Wein auch gut schmeckt.

In Michelsberg besuchten wir einen Kachelmacher, der Kacheln nach alten Mustern herstellt und damit offenbar eine beträchtliche Nachfrage nach Kachelöfen befriedigen kann - ein Mann von geradezu ansteckendem Optimismus und Durchhaltevermögen, der durch alle Wirren der Zeit stets als Briefträger,  Kirchenvater und nun sogar auch als Gastwirt für Besuchergruppen die Menschen zusammen hält.

Nahe Hermannstadt, dessen prächtige Bauten aus mehreren Jahrhunderten wir beim Stadtrundgang bewundern konnten, besuchten wir das Freilichtmuseum Astra, ein ausgedehntes Parkgelände, auf dem traditionelle Gehöfte, Handwerkerstätten, Kirchen und Mühlen ausgestellt sind, offenbar ein beliebtes Ausflugsziel. Von Kronstadt aus machten wir einen Ausflug zu dem Bärenreservat "Libearty" bei Zarnesti, wo Frau Katharina Kurmes uns in einer eindrucksvollen Führung ausführlich berichtete, wie in dieser Einrichtung rd. 100 Bären auf 69 ha Wald (ehemaliges Militärgebiet), z. B. aus Zirkussen oder aus privater Käfighaltung aufgenommen und allmählich wieder in ein artgerechtes Leben geführt werden. 

Wenn auch die Zahl der Siebenbürger Sachsen stark abgenommen hat, so ist doch ihr Wirken durchaus sichtbar. Sie sind heute alle zweisprachig. Es gibt noch deutsche Schulen, die heute überwiegend von rumänischen Kindern besucht werden und die dadurch gleich eine nützliche Fremdsprache erwerben, eine deutschsprachige Zeitung sowie in Hermannstadt eine deutsche „Schiller-Buchhandlung“. Einige Touristische Einrichtungen werden von Siebenbürger Sachsen geführt, sie sind Mitglieder in kommunalen Vertretungen und sind in der Partei Demokratische Forum der Deutschen organisiert. Aber es gibt auch andere Minderheiten in der traditionell ethnisch vielfältigen Region. In Kronstadt besichtigten wir eine Kirche der griechisch-orthodoxen Gemeinde und schauten in armenische hinein.

Zu unserer Freude lernten wir auch die Kirche unseres Pfarrers Uwe Seidner in Wolkendorf kennen, wir hörten dort ein schönes Konzert eines  international aufgestellten Bläsertrios - es spielten ein Rumäne, eine Italienerin und ein Deutscher, in Salzburg hatten sie sich kennengelernt. In einem der großen Räume der Wehrmauer konnten wir anschließend gemeinsam mit den Künstlern zu Abend essen.

Eine besondere Beziehung zu Dahlem ergab sich in Hermannstadt. Der über viele Jahre in Dahlem wirkende Pfarrer Gerhard Möckel stammte aus Hermannstadt. Anfang der neunziger Jahre kehrte er dorthin zurück und gründete eine evangelische Akademie, ungeachtet der Warnungen mancher Skeptiker. Zu den Förderern gehörten auch die Nachkommen des Widerstandskämpfers Hans-Bernd von Haeften, der Ende der dreißiger Jahre Legationsrat an der deutschen Botschaft in Bukarest und Mitglied der Bekennenden Kirche war. Das Gebäude der Akademie trägt seinen Namen, der große Vortragssaal ist nach Gerhard Möckel benannt. In einem interessanten Vortrag erfuhren wir vieles über die Gründung und die Arbeit der Akademie, die zahlreiche zum Teil auch zweisprachige Tagungen durchführt.

Zum Abschluss unserer Reise fuhren wir hinauf in die Karpaten in das Bergdorf Magura, wo wir den weiten Blick zu den umliegenden Höhenzügen genießen konnten und in dem Hotel des Ehepaares Kurmes, die unsere Reise organisiert hatten, ein köstliches Abschiedsessen geboten bekamen.
 

Nachlese

Rückblickend stellten wir untereinander fest, dass wir ganz überrascht waren, ein so „aufgeräumtes“ Land mit schön restaurierten Städten, Kirchenburgen, Straßen und wunderschöner Landschaft vorzufinden, war doch unser Bild von Rumänien eher durch negative Presse sowie Not und Armut der bei uns zugewanderten Roma bestimmt.

Nur wenn man sich in den Dörfern etwas verläuft bekommt man plötzlich Einblicke in die Siedlungen der Zigeuner, wie sie sich dort selber nennen. In bunten Trachten spielte sich das Leben im Sommerwetter vor den Häusern ab.  Man sieht Wäsche auf den Zäunen trocknen, Pferdewagen zum Schrott sammeln oder Kinder, die Lumpensäcke transportieren, hier und dort auch ein „dickes dunkles Auto“ – alle Vorurteile scheinen bestätigt.

Nur in Viscri haben wir durch das Sockenprojekt mehr über die Not dieser Familien erfahren. Auf meine Frage an unseren Pfarrer, ob er mit jemandem aus der Gemeinschaft der Zigeuner näher befreundet sei, sagte er klar „nein“.
 

Die Fragen über das Nebeneinander der verschiedenen Kulturen beschäftigen uns auch nachträglich noch. In Berlin streben wir Inklusion an oder mindestens die Integration der verschiedenen Ethnien in ein großes Ganzes. Mindestens die AFD beklagt den „Untergang der deutschen Kultur“. In Rumänien sind die Kulturen „versäult“, aber bei dem großen ProEthnica-Festival in Schäßburg tanzten 19 nationale Minderheiten einvernehmlich und mitreißend zusammen. Lesenswert dazu https://www.hermannstaedter.ro/2019/08/fuenf-tage-plurikulturalitaet-erlebt/ 

Auch beherrschen in der deutschen Zeitung immer noch Themen wie Korruption und Missstände in psychiatrischen Krankenhäusern die Schlagzeilen. In Siebenbürgen überwiegt der Wunsch nach Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

Eine andere Beobachtung wirft auch Fragen auf: Ganz offensichtlich hat die EU-Mitgliedschaft sehr viele Fördermittel ins Land gebracht. In den florierenden Städten fehlt es sogar an Arbeitskräften im Tourismus und an Fachkräften.
Andererseits sieht man in den Geschäften und Industriegebieten viele Firmenschilder, die überall in Europa den Markt beherrschen. Als berechtige die EU-Mitgliedschaft zu einem Tausch: Fördermittel gegen Ansiedlung der ohnehin reichen, marktbeherrschenden fremden Industrien.

Das Miteinander im alltäglichen Leben in den Städten kontrastiert mit den noch versäulten Kulturen im ganzen Land: Sprache, Berufe, sozialer Status, Gesundheit uvm.

Die verbliebenen Siebenbürger Sachsen versuchen alles, um mit ihrer Kultur nicht unterzugehen. Dabei werden sie von den ausgewanderten Landsleuten sowie von einzelnen zugereisten „Aussteigern“ aus Deutschland, Holland, Italien, England usw. unterstützt. Auch wir wünschen ihnen und uns, dass diese deutsche Kultur überlebt.
Die Widersprüche gegenüber unseren Ansprüchen bleiben…

Irmgard von Rottenburg und Susanne Goldschmidt 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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